Großsignaleffekte

Großsignaleffekte…..was soll das denn sein? Nun, beamen wir uns zurück in das Zeitfenster August/September 2011, der zwei, drei Wochen an denen zahlreiche Betriebsfunknutzer mit Feststationen im 2m Band erstmals dieses Sperrige Wort hörten.

In den letzten Tagen des August 2011 begann etwas, was es zuvor noch nie gab. Unsere Telefone waren im Dauerklingelmodus. Polizei, Feuerwehren, Rettungsdienste, dicht gefolgt von Taxiunternehmer, Abschleppdienste, Handwerker, Objektschutz. Alle von einem Tag auf den nächsten massive Probleme mit Betriebsfunkanlagen im 2m Band. Und das mindestens quer durch NRW. Im regen Austausch verschiedenster Funktechniker von Firmen wie unsere, sowie Polizeien, Innenministerien und gleich eine ganze Truppe der Bundesnetzagentur erbrüteten Theorien und tauschten Messwerte aus. Im verlauf der ersten Stunden viel häufiger ein Schlagwort, aber erst zum Ende diesen denkwürdigen ersten Tages verdichteten sich die Indizien derart deutlich auf dieses anfangs unwahrscheinliche Schlagwort zeigte, das sich ein breiter Konsens ergab: DAB+, konkret der Budesmux, damals auf DAB-Kanal 5A.

Aber wie konnte das passieren? Eine ganze Reihe Rundfunksender im neuen DAB+ Format die weite Teile des 2m Bandes platt machten? Die DAB+ Sender alle überprüft und die Regelkonformität festgestellt. Spekrumsmaske OK, keine Nebenaussendungen. Ebenso wurden BOS- und Betriebsfunkgeräte massenhaft geprüft. Auch hier alles Regelkonform, intakt und anstandslos. Dennoch diese massiven Störungen: Feststationen haben ihre Fahrzeuge nicht mehr gehört, ebenso hörte die Polizei ihre Handfunkgeräte nicht mehr.

Nun diesen Effekt, genauer gesagt der Großsignaleffekt, ist in der Funktechnik seit Jahrzehnten, sogar seit Generationen bekannt. Ebenso die Abhängigkeit der Modulation des störenden Großsignals. Damals besonders herausragend waren und sind Pagernetze. In den 1970’er Jahren war bekannt das die Mischmodulation FM&AM, dazu mit anfangs bis zu 100% Modulationsgrad des Funkrufdienstes Eurosignal deutlich aggressivere Großsignaleffekte auslöste, als alles bis dahin andere. Die späteren Funkrufnetze auf Pocsag-Standard waren und sind heute noch bekannte Übeltäter aufgrund ihrer aggressiven DFSK-Modulation. Bei dem DAB+ Effekt hat man nach Programmstart schlagartig eine neue Dimension von deutlich Großsignallastiger Modulation kennen gelernt.

Doch wenn es keine Störaussendungen gibt, wie kann es dann zu Störungen kommen? Nun, Betriebsfunkgeräte für das 2m Band werden so gebaut das diese den Frequenzbereich des 2m Bandes von 146-174MHz abdecken. Hierzu hat der Empfänger ein Filter vor seiner ersten Vorverstärkerstufe, die grob 140-180 oder gar 120-200MHz grob selektiert. Starke Sendersignale wie DAB+ bei 174,xMHz gelangen also ohne Hindernisse durch diese Eingangsselektion und wirken auf diesen Vorverstärker ein. Problematisch dabei ist, das der DAB+ Pegel bei den gestörten Feststationen im Bereich von -30 bis teilweise -3dBm deutlich oberhalb des Dynamikfensters der Empfänger lag. Durch solch eine Übersteuerung verstärkt solch ein Transistor kaum noch, sondern beginnt alle Eingangsfrequenzen zu mischen, und sämtliche Mischprodukte nochmals zu mischen. Wie in einem Küchenmixer werden alle Eingangssignale addiert und multipliziert wobei nur noch ein unidentifizierter Brei bei raus kommt.

Aber Großsignaleffekte sind nicht auf DAB+ beschränkt. Abseits der oben ausgeführten Funkhistorie spielen Großsignaleffekte immer dann eine Rolle wenn mehrere unterschiedliche Funkanlagen sich zu nahe kommen, oder aufgrund Ihrer Sendeleistung Empfänger übersteuern. Ganz besonders beachtenswert ist das Thema wenn mehrere Feststationen zu nahe beieinander stehen, im Extremfall sogar auf dem selben Gebäude.

Es liegt in der Verantwortung von Fachunternehmen welche Feststationen errichten mögliche Großsignalprobleme zu erahnen und Konzepte zu bieten wie man diese umgeht. Noch immer finden wir ungeschützte Feststationen auf Hochhäusern vor, die ohne Fachkompetenz oder Gespür für Großsignalprobleme lieblos aufgestellt wurden. Doch worum geht es, und welche Konzepte gibt es?

Erster und häufigster Großsignaleffekt ist die Empfänger-Desensibilisierung. Daneben gibt es unterschiedliche Arten der Intermodulation.

Desensibilisierung

Von Empfänger-Desensibilisierung spricht man wenn der empfindliche Empfängereingang übersteuert wird. Funkempfänger sind optimiert auf einen Dynamikbereich von -125dBm bis maximal -50dBm. Dieser Dynamikbereich gestattet den Empfang niedrigster Signalspannungen von mobilen Funkstellen aus großer Entfernung zu empfangen. Gelangt ein Signal in den Empfänger welches deutlich stärker ist als der Empfänger verarbeiten kann, kommt es im Vorverstärker zu Intermodulationen und Desensibilisierung durch Übersteuerung.

Sehr einfach und plausibel kann man das beschreiben mit dem Extremfall einer Relaisstation. Sinn einer Duplexanlage ist es einen Empfänger sowie den Sender simultan an einer Antenne zu betreiben. Als Beispiel ein Repeater im 70cm Band:
Empfänger: 450,125MHz Dynamik -120 bis -50dBm.
Sender: 460,125MHz mit 6 Watt = +38dBm.
Empfangs- und Sendefrequenz liegen exakt 10MHz weit auseinander und die Sendeleistung liegt 88dB oberhalb des maximal erlaubten Empfänger-Eingangspegel. Wolle man solch ein Relais ohne Duplexweiche betreiben, bräuchten Sender und Empfänger je eine eigene Antenne. Zudem müssten die Antennen Antennen extrem weit voneinander entfernt aufgebaut werden, damit man auf die nötige Entkopplung von 88dB kommt. Das wäre aber Pfusch, da der große Abstand der Antennen für sehr unterschiedliche Funkversorgungszonen sorgen würde die deutlich voneinander abweichen. Daher betreibt man Relaisfunkstellen grundsätzlich mit Duplexweichen, hier beispielsweise mit einer DPF 70/6-10. Bei optimalem Abgleich sorgt diese für eine Entkopplung von 90dB.
Vom Sender gelangen also maximal +38dBm – 90dB = -52dBm in den Empfängereingang und passt so problemlos in den erlaubten Dynamikbereich. Dieses Beispiel zeigt das ein Repeater ohne Duplexweiche kaum störungsfrei zu betreiben wäre, da es sich selber massiv stören würde.

Reale Fälle von Desensibilisierungen treten gelegentlich bei Feststationen auf und betreffen alle Frequenzbänder. Befinden sich beispielsweise im Umkreis von bis zu 600m rund um Ihre Stationsantenne weitere Feststationen anderer Betriebsfunknutzer, kann es ebenso zu gegenseitiger Desensibilisierung kommen. Noch größer sind in den einzelnen Bändern extrem Starke Sendesignale die nicht zum Betriebsfunk gehören. Als da wären:

  • Im 4m Band UKW-Rundfunkstationen 87,5-108MHz
  • Im 2m Band DAB+ Hörfunk 174-230MHz
  • Im 70cm Band Funkruf 465,97 / 466,025 / 466,230MHz

Noch dramatischer ist die Situation bei abgesetzten Feststationen auf besonders guten Standorten wie z.B. Hochhäusern. Solche Standorte sind aufgrund ihrer besonderen Reichweite nicht selten von mehreren Funknutzern mit genutzt, so das nicht selten zwei abgesetzte Simplex- sowie ein oder zwei Relaisfunkstellen auf dem selben Gebäude stehen. Auch wenn die Antennen sich großzügig über die gesamte Dachfläche verteilen, kann es bei einfachen Anlagen zu gegenseitiger Desensibilisierung führen.

Abhilfe bei Desensibilisierung von Feststationen

Gegen Übersteuerungseffekte helfen hochwertige Filter welche es in verschiedenen Arten und Konstellationen gibt:

Bandpassfilter

Bandpassfilter der Serien BPF x/3 und BPF x/4 sind Filter welche nur ein schmales Spektrum von 2-5MHz Breite um Ihre Betriebsfunkfrequenz zum Funkgerät durchlassen und alle anderen Frequenzen deutlich abdämpfen. BPF setzen wir bei Feststationen ein wo die störenden Großsignale weiter als 10MHz von Ihrer Funkfrequenz entfernt liegen.

BandPass-BandSperr / BandSperr-BandPass Filter

Die Serien BPBR/BRBP x/2 und x/4 setzen wir ein wenn das störende Großsignal eine benachbarte Betriebsfunkstation ist welche 2-16MHz von Ihrer Betriebsfunkfrequenz tiefer oder höher liegt. Einzeln oder in Kombination mit BPF oder Duplexweichen eignen sich diese Filter vorwiegend für gemeinschaftlich genutzte Senderstandorte sowie im 70cm Band zur effektiven Beseitigung von Funkrufsignalen 465,97-466,23MHz.

Duplexweichen

Duplexweichen verwenden wir nicht nur für Relaisfunkstellen. Sie sind ebenso ein wirksames Mittel zur Eliminierung benachbarter Funkanlagen im selben Frequenzband. Eine Spezielle Version der DPF2/6-HX150 verwenden wir zusammen mit einem BPF 2/4 zur DAB+ Eliminierung an 2m BOS-Stationen über beide Bandlagen und allen BOS-Kanälen 101-292.

Isolatoren

Isolatoren sind spezielle Bauteile welche den extremsten und zugleich folgenschwersten Effekt behebt. Die Sender-Intermodulation. Wenn Großsignale aufgrund viel zu dicht stehender Antennen so stark werden das sogar die Sendeendstufen in Intermodulation geraten, können Störsignale mit erheblichen Pegel entstehen welche über etliche km Entfernung andere Funkdienste, beispielsweise den Flugfunk eines Flughafens stören können. Isolatoren sorgen im TX-Zweig zwischen Sender und Duplexweiche dafür, das keine Großsignale von der Antenne in den Sender geraten können. Ebenso werden Isolatoren eingesetzt bei Relaisfunkstationen welche der öffentlichen Sicherheit und der Gefahrenabwehr dienen. Denn Isolatoren schützen den Sender vor Fehlanpassung wie nach Blitzeinschlag oder Sturm beschädigte Antennen. Sie gestatten eine gefahrlose weiterlaufende Funktion des Senders ohne das Schutzschaltungen die Sendeleistung reduzieren oder das Relais abschalten. Somit wird eine Restfunktion über verbliebene Antennenfragmente aufrechterhalten, allerdings mit einer dem Zustand der Antenne entsprechend eingeschränkter Reichweite.

Dieses waren die wichtigsten Lösungsmöglichkeiten welche wir regelmäßig einsetzen. Allerdings warnen wir davor selbstständig solche Probleme zu beheben. Wie eine Großsignalsituation an Ihrer Feststation effektiv behoben werden kann, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Neben Ihrer Frequenz braucht es zur Beurteilung auch alle anderen Störfrequenzen die an Ihrer Antenne anliegen. Daher kommen wir gerne mit unserem Messequipment zu Ihnen um einen Einblick in die realen Bedingungen an Ihrer Station zu erlangen.

Intermodulation bei mobilen Funkgeräten

Bei Fahrzeugfunkgeräten und Handfunkgeräten tritt besonders häufig die Intermodulation dritter Ordnung auf. Als normaler Betriebsfunkanwender im industriellen, handwerklichen oder Dienstleistungssektor werden Sie solch ein Effekt jedoch niemals erleben. Vielmehr ist dieser Effekt eine Gefahr bei Großveranstaltungen sowie im BOS-Funk bei Großeinsätzen. Also ganz spezifisch in Fällen wo außergewöhnlich viele Funkgeräte auf relativ kleiner Fläche betrieben werden.

Abhilfe schafft in diesem Fall nur eine gemeinschaftliche Koordinierung der verwendeten Frequenzen aller am Einsatzort funkenden Gruppen. Denn der Knackpunkt worin die Eigenarten dieser spezifischen Intermodulation 3.Ordnung begründet sind, ist das die Mischprodukte aus den einzelnen Frequenzen nicht irgendwo in anderen Frequenzbändern liegen, sondern mitten in dem Bereich wo auch alle beteiligten Funkkanäle genutzt werden.

Frequenzen welche gefahrlos ohne die Gefahr von IM3 verwendet werden können, müssen vor Ort berechnet werden. Die BOS nennen so etwas Kommunikationsplan welcher für jede Großveranstaltung erstellt wird. Bei Großveranstaltungen mit internationalem Medieninteresse wie Fußballmeisterschaftsspielen, Olympiaden oder Staatsbesuchen übernimmt die Intermodulations-Koordinierung die Bundesnetzagentur im Rahmen von Sonderzuteilungsgebieten. Bei kleineren Veranstaltungen wie Musikfestivals oder dem Oktoberfest müssen die Nutzer selber den Frequenzplan erstellen.

Ziel eines Kommunikationsplans ist es alle genutzten Frequenzen so im Frequenzband zu verteilen das die entstehenden Intermodulationsprodukte 3.Ordnung keinesfalls auf genutzte Funkfrequenzen fallen, sondern ausschließlich auf nicht genutzten Kanälen dazwischen. Klassischer Fehler sind Kanäle gleichmäßig im gleichen Abstand zu verteilen.
Der Einfachheit halber ein Beispiel anhand 2m BOS-Kanäle:
Kanäle 1, 2, 3, 4, 5 hätten alle gleichen Abstand zueinander: 20kHz. Kanäle 10, 20, 30, 40, 50 hätten alle 200kHz Abstand.
Beides sind fatale Ansätze, da jede Intermodulation 3. Ordnung exakt auf die genutzten Kanäle fällt. Daher sind gleichmäßige Abstände der verwendeten Kanäle so ziemlich die dümmste aller Lösungen. Je wilder und unregelmäßiger die Frequenzen im Band verteilt werden, um so näher kommt man einer Lösung.

Derartige IM3-Effekte sind bei Feststationen im Betriebsfunk weitgehend ausgeschlossen. Denn die durch Ihre Frequenzzuweisung koordinierte Frequenz ist auch in Bezug auf Intermodulation 3.Ordnung mit anderen Betriebsfunknutzern in Ihrem Zuteilungsgebiet koordiniert.